Rauchfrei

Sie hatten eine gute Ehe. So dachte sie zumindest. Bis zu jenem Morgen, als sie die Kleider zum Lüften auf den Balkon hängte.

Georg fuhr um sieben in seine Agentur. Nicole musste erst um zehn in der Redaktion sein. Sie frühstückten zusammen und Nicole räumte noch etwas auf und hängte Pullover und Jacken ins Freie. Georg kaufte ein und abends kochten sie zusammen. Wenn sie keine Lust dazu hatten, gingen sie Essen. Manchmal gingen sie mit Freunden ins Kino oder joggen.

Nur der Dienstagabend war beiden heilig. Nicole liebte ihren Yogakreis und Georg seine Skatrunde. Es waren alte Freunde, die sie schon aus der Zeit vor ihrer Beziehung kannten.

Doch an diesem Mittwochfrüh war etwas anders. Nicole wusste zuerst nicht genau, was es war. Aber als sie ihre Nase näher an das Jackett von Georg hielt, stellte sie fest, dass es nicht nach Rauch roch. Sie wusste, dass Ansgar, sein alter Freund, Zigarillos rauchte und dass Whisky getrunken wurde.

Vielleicht hatte die eisige Schneeluft den Geruch aufgesaugt, während Georg gestern Nacht zum Haus lief, dachte sie und hängte das Jackett gleich in den Schrank.

Sie wollte es nicht, aber am nächsten Mittwochfrüh schnüffelte sie, noch bevor sie ins Bad ging, an seinem Jackett und roch wieder keinen Rauch. Beim Frühstück fragte sie ihn fast wie nebenbei, ob er lange nach einem Parkplatz suchen musste.

„Nein“, schmunzelte er ganz entspannt, „ich steh direkt vorm Haus.“

Nicole schwieg und nahm sich vor, erstmal alles zu beobachten. Bei seinen Zärtlichkeiten und Liebkosungen merkte sie keinen Unterschied. Auch erwähnte Georg immer wieder, welche Lichtblicke in seinem Alltag für ihn das gemeinsame Kochen, ihre Klettertouren oder ihre Wochenenden im Wellnesshotel seien.

Ansgar, sein Skatfreund, arbeitete bei Nicole in der Redaktion und bei einer ihrer Kaffeepausen fragte sie ihn, welche Vorsätze er denn fürs neue Jahr hätte.

„Nicole, Schätzchen“, frotzelte er wie immer, „du weißt doch, dass ich keine Laster habe.“

„Wie wär`s mit dem Rauchen?“

„Das ist doch nur beim Karten spielen. Zigarillos und Whisky, du weißt schon, Männer unter sich.“

Peter, Georgs zweiter Skatpartner, begegnete ihr zufällig in der Stadt.

„Hi, Nicole, und … lässt du deinen Mann mit zum Lachsfischen nach Norwegen?“, begrüßte er sie.

„Warum fragst du ihn nicht selbst, ihr trefft euch doch Dienstag?“

Peter schien zu überlegen und sagte schließlich: „Ja, stimmt ja! Also dann, mach`s gut. Ciao.“

An diesem Nachmittag rief Nicole ihre Freundin an und bat sie, am Dienstag, statt in Yoga, mit ihr zu kommen. Als sie Rena erzählte, was sie vorhatte, sagte diese: „Nein, das mach ich nicht, ich bespitzle niemanden, red mit Georg.“

Doch als der Dienstagabend da war, saßen sie beide in Renas Auto und fuhren Georg hinterher. Er parkte an einer Wohnanlage mit Apartments und als er aus dem Auto stieg, öffnete auch Nicole die Autotür und flüsterte Rena noch zu: „Ich geh ihm nach.“

„Und wenn er dich sieht?“, konnte Rena gerade noch einwenden, bevor das Zufallen der Autotür ihre letzten Worte verschluckte.

Nicole konnte sehen, wie das Apartment, an dem Georg klingelte, von einer Frau geöffnet wurde. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, ging sie schnurstracks zur selben Wohnung hin und läutete.

Es öffnete eine dunkelhaarige Schönheit, Nicole glaubte sie aus der Agentur zu kennen.

„Ja, bitte?“, fragte sie.

„Ich möchte meinen Mann abholen“, sagte Nicole und drückte die Wohnungstür auf.

„Was machen Sie hier?“, empörte sich die Schwarzhaarige.

Doch da sah sie Georg schon im Flur stehen, der gerade sein Jackett an die Garderobe hängen wollte. Durch die geöffnete Tür erhaschte sie einen Blick auf einen gedeckten Tisch mit Weingläsern und Kerzenlicht.

„Was machen Sie da?“, empörte sich die Schwarzhaarige erneut.

„Ich hole meinen Mann ab“, sagte Nicole lauter als gewollt, um das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen.

Georg, der verwirrt zwischen den beiden Frauen hin und her schaute, nahm sein Jackett und folgte wortlos seiner Frau aus der Wohnung hinaus. Rena, die bibbernd im Auto wartete, sah wie die beiden in Georgs Auto stiegen. Eine Zeit lang folgte sie ihnen noch, bevor sie nach Hause fuhr.  

Die folgenden Wochen hörte Rena nichts von Nicole. Sie kam nicht zum Yoga und Rena traute sich nicht anzurufen, weil sie Angst hatte, dass Nicole sie als Zeugin und Mitwisserin gegenüber Georg genannt hatte. Sie mochte Georg – trotz alledem.

Doch eines Dienstags stand Nicole wieder im Umkleideraum des Yogazentrums und tat so, als ob nichts gewesen wäre. Rena, die vor Neugier zu platzen drohte, drängte sie ins Freie und stürzte auf sie los: „Und, was hat er gesagt?“

„Nichts, gar nichts“, entgegnete Nicole trocken. „Es war fast so“, und jetzt stockte sie einen Moment, „als ob er erleichtert gewesen wäre.“

 „Wie, wie meinst du das?“, bohrte Rena weiter.

„Naja, er will öfter mit mir zusammen sein, will alles gemeinsam machen, ist anhänglicher als zuvor und ich musste ihn fast zwingen mit seinen Freunden zum Lachsfischen nach Norwegen zu fahren.“

„Wie …, versteh` ich nicht?“, drängte Rena weiter.

„Naja, irgendwie wirkt er fast erleichtert darüber, dass ich ihn aus dieser misslichen Lage befreit habe.“ 

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