Tanztherapie

Vom zu schweren Fuß zu den emotionalen Verwicklungen im Leben 

Abschlussarbeit zur Fortbildung, Integrative Tanztherapie, Modul 1/ KC 88, Erlangen 2015, unveröffentlicht

In dieser Abschlussarbeit von Modul 1 versuche ich noch einmal die ersten fünf Blockseminare Revue passieren zu lassen. Ich werde die Inhalte kurz zusammenfassen und die theoretischen Grundlagen hierzu benennen. Des Weiteren werde ich mein persönliches Erleben innerhalb der einzelnen Seminare reflektieren und beobachtete Veränderungen, Entwicklungen und Erkenntnisse aufzeichnen.

Block I – Grundkonzepte der Integrativen Tanztherapie (IT)

  1. Theorie

Die Selbstwirksamkeit des Menschen

  1.  Über das Tun (Tanz, Bewegung) erfahre ich etwas über mich. Jeder Mensch hat das leibliche Vermögen über sich hinaus zu spüren, zu bewegen, sich hinzuwenden, einzuwirken. Durch das Erfahren meiner Bewegungsmöglichkeiten entdecke ich mein Potenzial, deshalb sind die Öffnung der Sinne und die Aktivierung die Voraussetzung für neue Erkenntnis über mich selbst.
  2. Durch die Bewegung in der Gruppe (das Nachahmen, Mitmachen, Mitteilen, Anstecken lassen, Vormachen im Tanz) bekomme ich eine Vorstellung davon, inwieweit ich mich von den anderen unterscheide (Ausdruck, Befindlichkeit, Bewegungsrepertoire,…) und was mich als Persönlichkeit ausmacht. Diese Differenzierung zwischen ICH und DU verschafft mir Klarheit über meine eigenen Grenzen und hilft mir, diese in zwischenmenschlichen Situationen immer wieder neu auszubalancieren (Balance zwischen persönlicher und sozialer Identität).
  3. Über meine Wahrnehmung im Raum und mit anderen sich bewegenden Menschen, die mir Rückmeldung geben, erfahre ich etwas über mich (wo ist mein Platz, wie viel Raum nehme ich ein …?) und meine Beziehung zu den anderen (Blickkontakt, Nähe, ..) und über die Zwischenräume, die mir erlauben, das Verbindende mit dem Anderen, sowie auch das im Hintergrund Bleibende des Eigenen, das sich nicht in der Begegnung mit dem Anderen zeigen muss, zu leben. Selbst- und Fremdwahrnehmung erweitern das Spektrum meiner Betrachtungsweisen und schaffen Raum für neue Perspektiven im sozialen Umfeld.
  4. Bewegung, Fremd- und Selbstwahrnehmung, Reflexion und Austausch innerhalb der Gruppe machen mir bewusst, dass ich vieles „bewegen“, mitsteuern kann in meinem Tun und Handeln. Ich bin dem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert, sondern ich kann mein Leben, die Welt mit gestalten. Das Erleben der eigenen Selbstwirksamkeit ermöglicht mir, mich als Individuum in einer Gemeinschaft weiterzuentwickeln und durch mein (Ein-) Wirken meinem Leben Bedeutung zu geben.

Phänomenlogische Betrachtungsweise als Impulsgeber für Veränderung im Tun und Handeln  

Bei der Phänomenbeschreibung wird nur beschrieben, was offensichtlich ist und was ins Auge fällt. Das können Bewegungen, psychische Prozesse oder Gruppenereignisse sein. Wir teilen dem anderen nur mit, was wir gesehen haben, ohne jede Wertung. Sowohl das im aktuellen Kontext Beobachtete wird vom Teilnehmer selbst, als auch dessen Bedeutung für zukünftiges Handeln interpretiert. „Der Patient soll sich gesehen fühlen und auf seine Bewegungen aufmerksam gemacht werden, ohne sie zu werten.“ (Wilke E., 2007 Tanztherapie S.243-244)   

Jeder Eindruck verlangt nach Ausdruck

Alles was wir mit unseren Sinnen (Sensomotorik: visuell, auditiv, kinästhetisch, taktil, …) aufnehmen, verlangt nach einer Antwort/ Reaktion (Psychomotorik: Bewegung, Gestik, Mimik, Sprache, Verhalten, …), wodurch wir in Interaktion mit der Welt (Mit- und Umwelt) treten und uns als organisches Wesen in Gemeinschaft (Mikro- und Makrosysteme) ständig weiterentwickeln. Dieser wechselseitige Prozess zwischen Input und Output muss ausgeglichen sein, sonst besteht die Gefahr einer Blockade oder Erstarrung bis hin zu einer körperlichen Erkrankung. Nach neuesten Untersuchungen kann mangelnde Ausdrucksmöglichkeit zu Depression oder psychosomatischer Erkrankungen führen.

Der Mensch ist ein „schöpferisches“ Wesen 

Mit dem Einsatz kreativer Kunstformen (Tanz, Pantomime, Malerei, Plastik, Musik, Poesie, Duftkomposition, Kochkunst, Maske, Plastik, Schauspiel, Oper, Ballett und Puppenspiel) in der Integrativen Therapie, nach PETZOLD 2014[1], versucht man an das frühkindliche „Leibgedächtnis“ (Gerüche, Bewegungssinn, Klänge, Bilder, Berührungserfahrungen) anzudocken, um innerpsychische Blockaden aufzulösen. Unsere Wahrnehmungsgrenzen werden erweitert, unbekannte Handlungsräume erobert, neue Wirklichkeiten geschaffen. Die Lust am Ausprobieren, die spontane Freude an Veränderung und Weiterentwicklung, was der Natur des Menschen entspricht, wird wieder in Gang gesetzt.

2. Praktische Durchführung – Das Ko-kreative als „schöpferische Wechselseitigkeit“[2]

In Block I wurde das kreative Medium Ton verwendet, um unser Körperbild vom eigenen Fuß aufzurufen. Der Fokus richtete sich auf die Mobilisierung der leiblichen Ressourcen, das Übertragen auf das Medium Ton (Töpfern der Füße) und auf verschiedene (Fuß-) Arrangements mit Zuhilfenahme von Tüchern, Bällen, … und das Erlernen der phänomenlogischen Betrachtungsweise der geschaffenen Werke und den Austausch darüber mit den anderen in der Gruppe.  

3. Persönliche Erfahrungen – „Mein zu schwerer Fuß“

Es war für mich einfach, mit verbundenen Augen meinen Fuß in Ton zu modellieren. Ich bin  als Kind auf einem Bauernhof auf dem Land aufgewachsen und bin viel barfuß gelaufen.

Im Mai fing ich an meine Wollstrümpfe auszuziehen und dann meine Kniestümpfe, und wenn es warm genug war, konnte ich auch schon barfuß über das weiche, noch vom Schneewasser getränkte Moos im Wald laufen und auf sonnenerwärmten Steinen herumklettern.

Ich konnte die Ferse, die Zehen, den Rist, den Spann, dann Fußknöchel fast naturgetreu modellieren, bis dahin, dass mein Tonfuß zwei Nummern größer war als mein realer Fuß. Ich hatte den ganzen Ton genommen, der mir von der Kursleiterin hingelegt worden war.

Ich selbst fand meinen Fuß schön, sehr sensibel, empfindsam ausgearbeitet, aber zu schwer und zu groß.

Und bei den Fußarrangements mit den Tonfüßen der anderen Teilnehmerinnen und mit Tüchern oder dem Nachlegen von Wegen versuchte ich meinen Fuß immer wieder zu verstecken unter den Tüchern oder den Füßen der anderen, legte ihn schräg hin oder auf den Spann, damit er kleiner wirken möge, aber irgendwie fühlte ich mich nicht wohl und schämte mich etwas dafür, dass mein Fuß so wuchtig war, obwohl die anderen mir das nicht bestätigten.

Am letzen Tag durften wir dann unsere Tonfüße mit nach Hause nehmen. Ich wusste sofort, dass ich diesen schweren „Klumpfuß“ nicht mitnehmen wollte und überlegte, ob ich ihn gleich im Abfallkorb am Straßenrand entsorgen sollte, doch dann kamen mir Kinder entgegen und ich dachte, die erschrecken sich, wenn sie den Fuß finden, dann überlegte ich ihn in meinen Garten zu stellen und kam zu dem Schluss, dass ich diese Last nicht in meiner Nähe haben wollte, auch die Vorstellung, dass er von Pflanzen überwuchert werden würde, beruhigte mich nicht und ich entschied mich für den Recyclinghof. Bei der Fahrt nach Hause nach Nürnberg hatte ich zwei Kursteilnehmerinnen mitgenommen und als wir unsere Taschen in den Kofferraum verstaut hatten, fuhren wir los. Auf der Autobahn hörten wir dann plötzlich ein lautes Rumpeln und ich dachte, es wäre im Kofferraum irgendetwas umgekippt, bis ein Auto neben mir herfuhr, in dem eine lachende Frau mir zuwinkte und andeutete, dass ich auf dem Seitenstreifen halten solle. Birgit, meine Mitfahrerin, stieg dann aus und lief zu dem Auto der Frau, die ihr erzählte, dass etwas vom Autodach polternd in das Weizenfeld geflogen war. Als Birgit zurück ins Auto kam und sagte was los war, konnten wir drei Frauen uns vor Lachen nicht mehr halten und unsere Freude dauerte bis Nürnberg an.

So einfach und auf so heitere Art und Weise wird man also Altlasten los, dachte ich.

Mir ist in diesem Gestaltungs- und Reflexionsprozess mit Hilfe der phänomenologischen Betrachtungsweise Folgendes klar geworden:

  1.  …, dass ich mir zuviel aufladen lasse (ich hatte die ganze Tonmasse genommen, andere Teilnehmerinnen nur einen Teil),
  2. …, dass ich stolz darauf war, was ich daraus geformt hatte, dass es mir aber zu viel war und es mich belastete, dass der Fuß zwei Nummern zu groß und dadurch auch zu schwer war, 
  3. …, dass ich durch das Arrangement der Tücher und durch das verschiedene Lagern des Fußes versucht habe, die Symptome (schwer und groß) unsichtbar zu machen und zunächst nicht die die Ursache für dieses belastende Gefühl gesehen habe.
  4. …, dass ich für meinen Fuß, dadurch, dass er so groß war, auch keinen passenden Fuß einer anderen Teilnehmerin finden konnte, die den Gegenpart zu mir hätte bilden können und so habe keinen Platz, bzw. nur einen Außenseiterplatz am Rand versteckt einnehmen können. Das Einfügen in die Gruppenarrangements war mit kleinen und leichten Füßen einfacher.
  5. …, dass mein Fuß während der Fahrt vom Wind vom Autodach heruntergeholt wurde und in einem Bogen zurück zur Erde, in die Natur gesegelt war, gab mir das Gefühl, dass der Himmel, die Zeit, mir hilft, Probleme zu lösen, auch wenn ich mal keinen Plan habe und dass sich andere mit mir freuen können, zu sehen, wie leicht vieles sich von selber löst. Und für diese Erfahrung bin ich dankbar.   

Block II – Körperaufbau und Körperbild in der IT

  1. Theorie

Wir haben uns einerseits mit der Anatomie und dem Aufbau des Körpers befasst, einschließlich der einzelnen

Funktionen von Kopf (neigen, drehen, …), Schultern (einen Gürtel bilden, Rotation ermöglichen,..), Wirbelsäule (Verbindung von Kopf und Becken, Aufrichtung, …), Becken, Hüftgelenk (aufgerichtet, gekippt, … Hüftgelenk bildet Übergang vom Rumpf zu den Beinen) und von den Füßen (stabilisieren u. mobilisieren), und andererseits mit der

Bedeutung der jeweiligen Körperbereiche durch das persönliche Erleben (biographisch individuell geprägter Aufbau, phänomenologisch/ strukturelle Betrachtung im Kontext des persönlichen Lebens und der Anatomie).

Das Bild, das wir von unserem Körper haben, ist kein reales kognitives Wahrnehmungsbild, sondern eine konstruktive, psychodynamische Leistung, zusammengesetzt aus unseren Emotionen, Bedürfnissen, unserer Wahrnehmung, unseren Handlungen, unseren Erfahrungen und unserem Wissen.

Durch die Anfertigung eines Körperselbstbildes in Verbindung mit Bewegung und Tanz können verdrängte, abgespaltete und vergessene seelische Inhalte wahrnehmbar und erfassbar gemacht werden, da sie uns Zugänge zum vorsprachlichen Raum geben und somit ein  therapeutischer Prozess (Veränderung, Entwicklung) in Gang gesetzt werden kann.  

2. Praktische Durchführung

  1. Malen des Körperbildes in Lebensgröße und erstes Betrachten des Bildes an der Wand gemeinsam im Austausch mit einer Teilnehmerin
  2. Studium des knöchernen Aufbaus, der Sehnenkonstruktion und der Muskelverbindungen des Fußes im Anatomieatlas
  3. Fuß malen und in das Körper(gesamt)bild einfügen
  4. Wahrnehmungsübungen durch Ausdrucksgeschehen (auf Außenkante, Innenkante des Fußes gehen, …), durch Berührung (eigene und von anderen), durch Beschreiben der Form (Ferse gepolstert) und Funktion, durch spielerische Varianten (Becken kreisen lassen, …) und durch den Blick von Außen (kalter/ warmer Spiegel)
  5. Körperbild ergänzen, korrigieren und abschließendes Betrachten im Austausch  

3. Persönliches Erleben – „Meine verschränkte Sitzhaltung“

Auf meinem Körperbild nehme ich eine verschränkte Sitzhaltung ein. Meine Beine sind zum Lotussitz verschränkt, mein Oberkörper aufgerichtet, mein rechter Arm ist angewinkelt und hoch hinter den Kopf gelegt. Mein Oberkörper ist schmal im Vergleich zum Becken, das sehr weit und breit ist. Die Farben sind sinnlich, die Formen sind fließend und erinnern an orientalische Kleidung. Ich weiß, dass ich sitzen und nicht mehr stehen will, meine Standhaftigkeit nicht mehr unter Beweis stellen will.

Der nach oben gewinkelte Arm wirkt schmächtig und kraftlos, so dass andere aus der Gruppe ihn kaum als Arm erkennen können. Irgendetwas zieht mich nach oben, will mich hochziehen, fordert mich aufzustehen, doch dieser Verbindungsarm nach oben ist zu schwach. Ich möchte sitzen bleiben, mein Becken ist weich, warm und breit und da fühle ich mich wohl, habe Sicherheit und Halt und komme zur Ruhe.

Nach den o.g. Übungen 2 – 4 korrigiere ich mein Körperselbstbild und mache aus dem erhobenen Arm ein buntes Stirnband, das ich mir um den Kopf gebunden habe, und male den rechten Arm neu, gebe ihm die richtige Größe, die mit dem restlichen Körper harmoniert, und lege meine rechte  Hand in den Schoß neben meine linke. Jetzt ist das Gleichgewicht zwischen oben und untern hergestellt und ich komme zur Ruhe.

Block III – Bewegungsqualitäten und Bewegungsbeobachtungen (Laban)

  1. Theorie

Der Mensch wird von den Dingen der ihn umgebenden Natur und Kultur geprägt, beeinflusst,  bewegt – und er selbst bewegt, beeinflusst, gestaltet seine „Mit-Welt“ durch sein Tun und Wirken, so PETZOLD. Wenn dieser wechselseitige Prozess gestört oder gehindert wird, erlebt sich der Mensch entfremdet und die Entfremdung kann zu Krankheitsgeschehen führen. Die Tanztherapie, die das Eingebunden-Sein in die Gemeinschaft mit anderen und über die Bewegung die Einbettung in die Welt leiblich spürbar werden lässt, bietet hervorragende  Möglichkeiten, solchen krankheitsfördernden oder entwicklungshinderlichen Prozessen entgegenzuwirken. Um die zahlreichen Möglichkeiten der Bewegungserfahrungen zu systematisieren, stützt man sich auf die Bewegungsanalyse von Rudolf von LABAN. Er hat die Bewegungsqualitäten in Kategorien eingeteilt und mit Hilfe einer eigenen Terminologie beschrieben

2. Praktische Durchführung: Bewegung und Beobachtung

A – Form/ „Shape“: Gelenkbewegungen: kreisen, rotieren, beugen/ strecken, raumgreifend, …

B – Bewegungsqualitäten /“Effort“: (nach LABAN)

  • KRAFT: Kraftantrieb mit den Polen stark versus leicht: Gewicht, Schwerkraft, Körperschwerpunkt
  • FLUSS: Antrieb des Bewegungsflusses mit den Polen gebunden versus frei
  • RAUM: Raumantrieb mit den Polen direkt versus indirekt
  • ZEIT: Zeitantrieb mit den Polen plötzlich versus allmählich

C – Der Raum / „Space“:

  • Leibraum
  • Kinesphäre
  • der Umraum: Richtungen, Dimensionen (vertikal, sagittal: vorwärts-rückwärts, horizontal), Ebenen (vertikal: Türebene, sagittal: Radebene, horizontal: Tischebene), Boden- und Raummuster (Zick-Zack Linien, Halbkreise, …)  

3. Persönliches Erleben – „Meine Kraft, mein Platz, meine Grenzen“

In den Tagen von Block III konnte ich die Erfahrung machen, dass ich meine Bewegungsziele auch mit weniger Krafteinsatz (Kraft-Effort) erreichen, umsetzen kann.

Dann fing ich an, mir einen Platz zu suchen im Tanzsaal und mir Raum zu geben innerhalb der Gruppe, der meinen aktuellen Bedürfnissen entsprach. In diesen Tagen wollte ich nicht so sehr involviert, verwickelt, gefordert sein von der Gruppe, doch gleichzeitig wollte ich eingebunden sein in das Gruppengeschehen. Diese Erfahrung, dass beides möglich ist, ja sogar den Gruppenprozess konstruktiv unterstützt, wenn jeder eigenverantwortlich seinen Platz gefunden und eingenommen hat, war neu für mich.

Die Gedanken reichten weiter bis hin zu meinem Arbeitsplatz. Es tauchte die Frage auf, ob mein beruflicher Platz wirklich der Platz ist, an dem ich mich weiterentwickeln kann, oder ob ich mein Gefühl, seit Jahren dort in meiner Entwicklung ausgebremst zu werden, nun endlich ernst nehmen sollte.

Weiterhin konnte ich durch Bewegung und Tanz Grenzen (Kinesphäre) ausprobieren, den fließenden Übergang zwischen persönlichem und fremdbestimmtem Raum wahrnehmen. Und da mein Thema in den letzten Jahren immer wieder „Grenzverletzungen“ war, bin ich dankbar für die Möglichkeit, durch Bewegung nachspüren zu dürfen, was stimmig ist, wo ich mich wohl fühle, bzw. wo ich mich bedrängt, bedroht oder fremdbestimmt fühle.

Die schönste Resonanz (Mitschwingen eines Körpers mit einem anderen) habe ich am Sonntag bei der Übung erfahren, wo verschiedene Pärchen in einer Diagonale den Raum durchqueren und zu bestimmten vorgegebenen Takten auseinandergehen und sich wieder finden mussten. Jeder läuft dabei zickzack auf einer Diagonalen und auf den ersten Takt wird der Akzent gesetzt.

Block IV – Tanzrichtungen und ihre Bedeutung für die Tanztherapie

  1. Theorie

In Block IV lag der Fokus auf den verschiedenen Tanzrichtungen (Höfischer Tanz, Paartanzvariationen, Ballett, Afrikanischer Tanz, Ausdruckstanz) und deren Einsatzmöglichkeiten in der Tanztherapie.  

2. Praktische Durchführung

Die einzelnen Tanzrichtungen wurden im Seminar erfahrbar gemacht. Danach wurden jeweils die fünf folgenden Kategorien für jede Tanzrichtung besprochen und näher betrachtet:

  • Nutzung des Körpers (Aufrichtung, welcher Körperteil, welche Gliedmaßen, Zentrierung, Haltefunktionen, Gesten, Ausdruck, Atmung, Muskeltonus, Blick, …?) ,
  • Bewegungsqualitäten,
  • Raum,
  • Themen (Kontrolle/ Präzision/ Disziplin – hohe Emotionalität/ innerer Impuls/Ungewolltes; Würde/ Stolz / Respekt – Ungebundenheit; Nähe-Distanz; Respekt/ Ordnung – Prozess/ Entwicklung; Sicherheit – Experiment; Schönheit – Verstörendes/ Ungewohntes;  Anpassung/Eingliederung/Tradition/ Eingebundensein – individueller Ausdruck, Freiheit, Andersartiges) und
  • Zielgruppe (antriebsschwache, antriebsstarke Menschen, kontrollierte, fahrige, impulsive Bewegungen, Alter, Geschlecht, Krankheitsbilder, Krankheitsverlauf, Verantwortungsträger, Intellekt, Substanzstörungen, Paare, Burnout, …)

Aufgrund erster Untersuchungen über die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche wurde die These des Embodiment aufgestellt, die besagt, dass sich durch die Veränderung der äußeren Haltung eine Veränderung der inneren Haltung herbeiführen lässt. Dieses Rückkopplungsphänomen versucht man in der Tanztherapie bei der Auswahl der jeweiligen Tanzrichtung für die spezielle Zielgruppe zu berücksichtigen.  

3. Persönliches Erleben – „Nähe und Bedrohung, Weite und das Getragenwerden“

Beim „Wiener Walzer“, wo die Becken der Tanzpartner engen Kontakt haben, habe ich eine hohe Körperanspannung wahrgenommen und mich bedrängt, bedroht gefühlt, so dass ich diesen Tanz zunächst nicht lernen konnte. Ich habe dann eine Partnerin meines Vertrauens gefunden, die mich behutsam und bedacht in diesen Tanz eingeführt hat und durch deren Unterstützung ich zum Schluss den Wiener Walzer tanzen konnte.

Am wohlsten habe ich mich beim „Afrikanischen Tanz“ gefühlt. Dort war der Abstand zu den anderen für mich angenehm, man konnte sich durch neue Bewegungsideen im Kreis individuell einbringen und wurde gleichzeitig getragen vom Kreis der tanzenden Frauen. Das breitbeinige Stampfen mit den Füßen gab mir während des rhythmischen Tanzens und Singens Halt. Das Becken war breit und gab mir ein Gefühl der Weite und Wärme in meinem Beckenbereich, was ich als sehr angenehm empfand

Block V – Improvisation, Gestaltung und Arbeit mit kreativen Medien

  1. Theorie

Improvisation findet immer dann statt, wenn ein auch noch so geringer Grad an Selbständigkeit und Eigeninitiative gefordert, gefördert und gezeigt wird. Bei der Improvisation unterscheidet man zwischen freier und inhaltsgebundener (1 über funktionale Bewegungsmöglichkeiten, 2 Alltagshandlungen und Grundbewegungsarten, 3 Parameter von Bewegung und Tanz einschließlich  der LABANschen Efforts, 4 Musik, 5 Emotionen, 6 Dialoge, 7 Imaginationen/ Bilder/ Phantasie/ Träume, 8 zu verschiedenen Gruppengrößen, 9 mit der Stimme: Worte, Töne, Geräusche, Unsinnsprache und mit Medien und 10 Objekten (Tücher, Stäbe, Bälle, Seile, Reifen, .. und Materialien aus der Alltagswelt: Tische, Stühle, Kartons, Kisten, Zeitungen, Steine, Plastikfolien, lange Rollen usw.)).

2. Praktische Durchführung

Bei der Improvisation gestalte ich nicht nur die Bewegungen und wähle das Medium aus, das ich sekundär mit meinem Gefühl auflade, sondern ich wähle Rollen (Königin, Priesterin, …), unterteile die Inszenierung in Szenen mit Anfang, Höhepunkt und Ende und gestalte den Raum als Bühne, auf dem ich mich zeige und gesehen werden will. In der Präsentation der Einzelgestaltung soll mithilfe des Körpers, der Bewegung und der Medien die Integration von Form und Gefühl gelingen. Die Rückmeldungen der Zuschauenden geben uns Aufschluss darüber, inwieweit diese Integration gelingt und uns mit den Erfahrungen der anderen verbinden kann.      

3. Persönliches Erleben – „Mich tanzend aus den Verstrickungen befreien“

Am Anfang habe ich drei Tücher so arrangiert, dass sie verschlungen waren (siehe Foto Deckblatt), und habe mich als „fließend, gewellt, ineinander verschlugen“ beschrieben, bis eine andere Teilnehmerin die Wortkarte mit  „Verwicklung“ dazulegte.

Später, bei der Vorbereitung der Einzelgestaltung, kam durch meinen Coach das Wort „Verstrickung“ dazu und als ich mich einkleidete für meinen Tanz, musste ich die Tücher zusammenknoten und so kam die Assoziation von „Fesseln und Fallstricken“ hinzu, die mich an meiner Bewegung hinderten. Über Kopf und Schulter legte ich ein Tuch, das mich als Königin und Dienerin auszeichnen sollte.

Dann begann ich zu tanzen und zu wüten, alles mit dem Versuch, meine Fesseln zu lösen und meine Verstrickungen aufzudröseln. Wenn die Tücher sich gelöst hatten, legte ich sie wie vor einem Altar vor mich hin und bedankte mich kniend mit betenden Händen. Ich bedankte mich dafür, was ich alles durch sie im Leben lernen und erfahren durfte.

Doch mein Blick war noch nicht frei für das Neue, das Schöne, das sich in Vertrauen auftun wird, wenn ich den Kopf erhebe und das Schleiertuch auf meine Schulter rutscht – ohne diese Verbindungen.

Noch war ich zu sehr verhaftet mit dem Entwirren, Befreien und den pausenlosen, atemlosen Bemühungen, dass es so schnell wie möglich geschehen sollte. Wenn ich innehalte, Pause einlege, mich umschaue, meinen Blick weite, könnte ich vielleicht Menschen sehen, die mir dabei helfen, mich dabei unterstützen, damit es nicht so anstrengend wird, gleichzeitig wäre ich nicht so kraftlos und erschöpft, wenn ich mir einfach mehr Zeit lassen würde in dem Vertrauen, dass es sich irgendwann irgendwie lösen wird. Das Gelöste – als helle, leichte und freundliche Erscheinung. Danke! 

Tanztag[3]

Es ist die Weite, der Sprung, die Höhe,
es ist die Kraft,
die Dynamik schafft.
Der Körper gewärmt, voll heißer Glut, 
die Füße durchtanzen die kühlende Flut.

Frausein, offen und unverkrampft,
und doch war dir bang,
was der Tanz verschlang. Die Hüfte rund, das Becken weich,
die Knie beharrlich, zum Stand sogleich.

Der Blick, der Impuls, die Atmung, das Tun,
es fließt Energie und doch kannst du ruh`n. 
Ich liebe es, wenn ich Freiheit habe,
des anderen Nähe spüre und nicht errate.

Die Berührung, die Begegnung – das gibt Mut.
Das Dasein, dabei sein – man fühlt sich gut. 
Zusammen frei, beweglich zu zwei´n,
im Reigen der Musik, vollkommen zu sein.  

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